Wie sieht die Zukunft des Reverse Engineering aus?

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Reverse Engineering zu einem wichtigen Bestandteil des Produktdesigns und der Produktionsprozesse entwickelt, auf den Hersteller in der ganzen Welt zurückgreifen. Von der Luftfahrt über Automobile bis hin zu alltäglichen Konsumgütern – industrielle Ingenieure und Produktdesigner vertrauen auf Reverse Engineering, wenn es darum geht, ein älteres Teil ohne Unterlagen oder Zeichnungen nachzubilden, ein Konkurrenzprodukt zu analysieren oder ein bestehendes Produkt zu modifizieren und zu verbessern. Mit der Technologie verbessert sich auch die Hard- und Software, die verwendet wird, um physische Teile oder Baugruppen zu digitalisieren und verlässliche, genaue und stabile computergestützte Entwürfe anzufertigen. Neue Messsensoren, eine leistungsfähigere Software – möglich gemacht durch schnellere und günstigere Rechnerleistung – und Fortschritte im Bereich der KI prägen die Zukunft des Reverse Engineering, eröffnen neue potentielle Anwendungsbereiche und sorgen dafür, dass die Technologie für immer mehr Fachleute zugänglich wird.3D Scan-zu-CAD-Darstellung eines Ansaugkrümmergusses

Werfen wir in Anbetracht all dieser Dinge einen Blick auf die Trends, die in den kommenden Jahren Einfluss auf das Reverse Engineering haben werden.

Was sind die 3 größten Trends des Jahres 2023 im Bereich des Reverse Engineering?

Reverse-Engineering-Trend Nummer 1: Schnelles Prototyping

Die meisten der heute hergestellten Produkte durchlaufen verschiedene Iterationen, bevor sie die Fertigungslinie verlassen. Dieser iterative Workflow wird als „schnelles“ Prototyping bezeichnet und bezieht sich auf Techniken, die verwendet werden, um schnellstmöglich physische Prototypen oder Modelle eines Produkts oder einer Komponente zu entwickeln und ein finales Produktdesign nachzubilden. In den letzten Jahren hat sich das schnelle Prototyping zur Methode der Wahl für all jene Hersteller entwickelt, die Designideen testen und validieren möchten, bevor sie sie zur Massenproduktion zulassen. Das senkt das Risiko kostspieliger Fehler und Verzögerungen.

Reverse Engineering spielt in diesem Workflow eine äußerst wichtige Rolle, denn es eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit, digitale Modelle bestehender Produkte oder Teile zu erstellen, die man als Grundlage für das schnelle Prototyping nutzen kann. So setzen Automobilunternehmen beispielsweise auf 3D-Scanner, um in eine Baugruppe passende, fertige Teile zu erfassen, sie dem Reverse Engineering zu unterziehen und sie als Referenz für neue Teile zu verwenden, statt von CAD-Originaldateien auszugehen. Das bringt nicht nur mehr Tempo in den Prozess der Produktentwicklung, sondern verbessert auch die Qualität des Endprodukts. Dasselbe gilt für Designstudios, die ständig neue Produktdesigns entwerfen – ob es nun etwas so einfaches wie ein neues Zahnbürstenmodell oder eine MRI-Maschine ist. Mit einem Scan statt einer Skizze zu beginnen kann haufenweise Zeit sparen.

 

Der HandySCAN 3D-Scanner erfasst die digitale Darstellung der Modifikationen, die an einem Tonmodell vorgenommen wurden.

 

Da 3D-Scanner und Reverse-Engineering-Software immer smarter, günstiger und zugänglicher werden – auch für technisch weniger versiertes Personal – befindet sich das schnelle Prototyping auf einem Triumphzug durch die verschiedenen Sparten. Statt sich auf herkömmliche und oftmals langsame Fertigungsprozesse wie die CNC-Bearbeitung oder das Spritzgussverfahren zu verlassen, setzen professionelle Designer auf mit Licht oder Laser agierende Scanning-Technologien, CAD-Software und die additive Fertigung, um aus dem Stand genaue Prototypen mit zahlreichen Merkmalen zu entwickeln. Mit Hilfe handgeführter tragbarer 3D-Scanner können sie jedes beliebige Produkt oder Teil direkt im Fertigungsbereich erfassen und das finale 3D-Modell in die CAD-Software laden, um weitere virtuelle Tests und Analysen durchzuführen – oder in eine Software für 3D-Druck, um einen schnell gefertigten Prototypen mit hoher Wiedergabetreue zu erstellen.

Reverse-Engineering-Trend Nummer 2: Additive Fertigung

Der zweite Trend, der sich auf das Reverse Engineering auswirkt, ist der zunehmende Rückgriff auf die additive Fertigung. Bei der additiven Fertigung, auch bekannt als „schichtweise Fertigung“ oder, in manchen Fällen, als 3D-Druck, handelt es sich um ein fortschrittliches Fertigungsverfahren, bei dem man dreidimensionale Teile herstellt, indem das Material aus einer CAD-Datei heraus Schicht um Schicht aufeinander gefügt wird. Seit den 1980er Jahren haben die Technologien rund um die additive Fertigung eine rasante Entwicklung durchlaufen. Dank der jüngsten Fortschritte in Hardware, Materialien und Software ist das Verfahren nun in noch mehr Geschäftszweigen angekommen. So können immer mehr Unternehmen Tools nutzen, die früher nur wenigen High-Tech-Branchen zur Verfügung standen.

Ein Mann nutzt den MetraSCAN 3D, um ein großes, im 3D-Druck hergestelltes Teil zu scannen

 

All dies muss sich zwangsläufig auf den Anwendungsbereich des Reverse Engineering auswirken. Dank weitaus erschwinglicheren, professionellen 3D-Druckern, besseren Stückkosten und der Einführung neuer Druckmaterialien können sich immer mehr Unternehmen die additive Fertigung leisten und eine umfassendere Bandbreite an Produkten per Reverse Engineering kostenlos in Augenschein nehmen.

Viele Unternehmenen betrachten die additive Fertigung bereits als Teil ihres üblichen Reverse Engineering Vorgehens. So setzen beispielsweise Schuhhersteller auf tragbare 3D-Messlösungen, mit denen sie ältere Modelle erfassen, verändern und per 3D-Druck ausdrucken, um sich anzusehen, wie das neue Modell aussieht und wie es sich bei Nutzung verhält, bevor sie zur Produktionsstufe übergehen. Auf die Restaurierung von Autos spezialisierte Werkstätten nutzen die additive Fertigung für das Prototyping und die Erstellung von funktionierenden Fahrzeugteilen, mit denen sie fehlende Teile ersetzen. Manche Krankenhäuser und Tierkliniken integrieren 3D-Drucker, um auf der Grundlage der per Reverse Engineering ermittelten Patienten-Scandaten maßgeschneiderte orthopädische Hilfsmittel und Prothesen zu entwickeln.

Die Verbesserung von 3D-Druck und Scanning-Technologien wirkt sich auch auf das Reverse Engineering und die Drucksoftware aus. Insgesamt ist abzusehen, dass immer mehr Hersteller diese Techniken nutzen werden, um ihre Reverse-Engineering- Aufgaben zu optimieren.

Reverse-Engineering-Trend Nummer 3: Virtualisierung

Ein weiterer aufkommender Ansatz, den Hersteller auf breiter Front im Verbund mit dem Reverse Engineering in ihre Workflows integrieren, ist die Virtualisierung. Manchmal werden diese beiden Begriffe synonym verwendet, um die Erstellung des digitalen Modells eines physischen Objekts zu beschreiben (auch bekannt als digitaler Zwilling). Tatsächlich geht die Virtualisierung jedoch tiefer: Sie beinhaltet die Analyse und Optimierung des Produktdesigns in einem virtuellen Raum ohne physische Prototypen. Darüber hinaus wird simuliert, wie sich ein Produkt unter unterschiedlichen Betriebsbedingungen verhalten und welche Leistung es bringen wird.

Anwender können also lebensnah mit virtuellen Prototypen interagieren, bevor sie in die Produktion gehen, was die Virtualisierung zu einem nützlichen Hilfsmittel für Engineering-, Design- und Fertigungsprozesse macht. VR und AR erleichtern es dabei zusätzlich, vor der Produktion die Ergonomie von Produkten zu testen und im virtuellen Umfeld Veränderungen vorzunehmen. Die virtuellen Räume ermöglichen den Arbeitskräften zudem ein immersives Lernerlebnis, wie etwa eine virtuelle Werksführung oder eine virtuelle Vorführung zur Bedienung von Maschinen. Und zu guter Letzt können Teams die Technik auch noch nutzen, um virtuelle Modelle für andere freizugeben und von unterschiedlichen Orten aus darauf zuzugreifen. Das erleichtert die Zusammenarbeit und Kommunikation während der Produktentwicklung.

 

Ein 3D-Modell eines Fahrradhelms, mit Hilfe des Go!SCAN 3D-Scanners generiert und auf der Datenerfassungssoftwareplattform VXelements verarbeitet

 

Die jüngsten Fortschritte in den Bereichen VR und AR, künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen haben dafür gesorgt, dass die Virtualisierung für ein breiteres Spektrum an Herstellern und Branchen zugänglich geworden ist. Sie kommt vor allem in High-Tech-Bereichen zum Einsatz, wie der Luftfahrt, der Automobilindustrie und der Fertigung, etabliert sich aber mehr und mehr auch im Bauwesen, in der Architektur und in der Unterhaltung. So verwendet man die Virtualisierung beispielsweise, um zu simulieren, wie sich ein Gebäude bei verschiedenen Witterungsbedingungen verhalten wird, oder um digitale Kulissen für Filme und TV-Sendungen zu erstellen.

COVID-19 und der allgemeine Trend hin zu mehr Remote-Arbeit haben ebenfalls dazu beigetragen, dass man die Virtualisierung mittlerweile für Dinge wie Modellierungen, kontrollierende Simulationsprozesse im Werkstattbereich, die Produktionsplanung, Tests und Verifizierungen einsetzt.

Sie fragen sich, inwiefern sich das auf das Reverse Engineering auswirken wird? Da sich die Virtualisierung immer mehr durchsetzt, wird man virtuelle Produktmodelle und Räume benötigen, die realistischer sind als die herkömmlichen entworfenen 3D-Modelle. Dafür wiederum braucht man eine extrem präzise Scanning-Technologie und eine Reverse-Engineering-Software, die in der Lage ist, saubere, hochwertige und solide 3D-CAD-Modelle zu erstellen, die man hinterher in einem virtuellen Setup einsetzen kann.

Mit dem Siegeszug der Virtualisierung werden auch 3D-Messtechnologien immer beliebter werden. Und das bedeutet, dass nicht nur das technische Personal, sondern auch andere Arbeitskräfte lernen müssen, wie man damit umgeht. Da Scanner und Software zunehmend preisgünstiger und benutzerfreundlicher werden, haben mehr und mehr Menschen die Möglichkeit am Arbeitsplatz darauf zurückzugreifen.

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